Ghana wurde bereits 1957 von seiner Kolonialmacht Großbritannien unabhängig (auch wenn man auf so manchem Schiff, so wie hier, noch die Fahne des Vereinigten
Königreiches zu sehen bekommt). Kwame Nkrumah, der erste Staatspräsident Ghanas, war ein echter Pan-Afrikaner und zu Beginn seiner Präsidentschaft auch noch sehr populär in Ghana. Ein zunehmend
autokratischer Führungsstil, Misswirtschaft und Korruption ließen Nkrumahs Popularität in Ghana schnell sinken. 1966 kam es dann zu einem Militärputsch, als Nkrumah auf Staatsbesuch in China
weilte. Heute wird Nkrumah wohl wieder sehr geschätzt, wenn man den Angestellten des Kwame Nkrumah Memorial Centers Glauben schenkt. Er war schließlich der Osagyefo (auf Deutsch:
Erlöser).
Nicht weit vom Memorial entfernt ist das alte Zentrum Accras, Jamestown. Das hiesige Fort war (wie z.B. auch die Forts von Cape Coast und Elimina) ein Stützpunkt des Sklavenhandels (siehe unten). Gleich neben dem Fort ist der Leuchtturm, den man bis vor ein paar Jahren noch besteigen und von oben das bunte Treiben der Fischer beobachten konnte. Jetzt ist er geschlossen, und den Fischern könnte man von hier auch nicht mehr bei der Arbeit zuschauen.
Zwar leben heute immer noch viele Fischer in Jamestown. Vor einigen Jahren ließ der damalige Präsident Ghanas aber den Teil der Fischersiedlungen unterhalb des Forts abreißen und bat die Chinesen, dort moderne Anlagen für die Fischerei zu errichten. Mehr als 5000 Menschen verloren ihr Zuhause. Auch eine Schule wurde zerstört. Ein "tolles" Prestigeprojekt zu Lasten der Steuerzahler, wie der dortige Guide mir erzäht (er ist dort aufgewachsen und zur Schule gegangen). Die schicke moderne Hafenanlage ist fertig, steht aber - leer.
Ansonsten sieht man hier in der Bildergalerie noch einige Fotos vom Unabhängigkeitsplatz mit dem Triumphbogen, das Nationalstadion und ein paar größere und kleinere Gebäude Accras. Die Armenviertel, die es hier auch gibt, habe ich nur im Vorbeifahren gesehen. Richtig eingetaucht in das Leben in Accra bin ich leider nicht, denn dafür bräuchte man viel mehr Zeit, als mir zur Verfügung stand.
Ich gebe zu, dass ich ein recht beschaulicher Reisender bin. In einem Land wie Ghana kann man natürlich ganz viele touristisch interessante Orte besuchen. Mir ist aber nicht danach, möglichst viele Reiseziele abhaken zu können. Und von den paar Orten, die ich besuchen wollte, habe ich dann sogar noch welche einfach doch nicht besucht. Aber der Reihe nach.
Den Tag nach meiner Ankunft in Ghanas Hauptstadt Accra nutzte ich ausschließlich dazu, zuerst zur Accra Mall zu laufen, um mir dort eine Simkarte zu kaufen. Danach fuhr ich per Uber zum VIP Busbahnhof (Circle) um dort ein Ticket für die Fahrt Richtung Takoradi am nächsten Tag zu erstehen. Keine gute Idee. Der VIP Busbahnhof ist etwa so bevölkert wie Mekka während des Haddsch. Und als ich endlich den richtigen Ticketschalter gefunden hatte, teilte man mir dort mit, dass ich nicht im Voraus buchen kann. Ich solle am nächsten Morgen um 8 Uhr wiederkommen. Der Bus fährt dann um 10 Uhr los.
Zum Glück gibt es ja noch die staatliche STC Buslinie, die gleich nebenan auch einen kleinen und übersichtlichen Standort hat. Problemlos kaufte ich dort für den nächsten Tag mein Ticket. Zufrieden fuhr ich wieder mit Uber zurück zu meinem Hotel, um dort an meiner Homepage zu arbeiten und den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen.
Am nächsten Tag klappte auch alles Bestens. Der Bus fuhr recht pünktlich ab, der freundliche Fahrer fuhr auf der ziemlich chaotischen N1 sehr umsichtig, und an der Ayensudo Juction, ca. 20 Kilometer hinter Cape Coast, hielt er vereinbarungsgemäß an, um mich aussteigen zu lassen.
Wie mir die Holländerin Annelies, die mit Ihrem Ehemann das Ko Sa Beach Ressort führt, angekündigt hatte, warteten an der Kreuzung auch schon etliche Taxis, von denen mich dann eines für 40 Cedi (genau der Preis, den Annelies genannt hatte) über eine Buckelpiste an mein Ziel brachte.
Vier Nächte wollte ich bleiben, sechs sind es geworden. Auf den geplanten Abstecher nach Kumasi verzichtete ich, vielleicht ja auch ein bisschen aus Faulheit. Aber das soll nicht heißen, dass ich etwa fünf Tage am Strand gelegen hätte. Das wäre wirklich entsetzlich. Vom Ko Sa aus kann man nämlich tolle Ausflüge machen. Zum Beispiel nach Elmina, Cape Coast und in den Kakum Nationalpark (siehe unten).
Im Ko Sa traf ich übrigens nicht auf Pauschaltouristen, sondern auf Weltreisende wie Emma und Georg, die mit ihrem Landrover schon seit mehr als einem Jahr durch Afrika reisen. Oder die Schweizer Maja, Hanspeter und Sohn Christian. Maja ist als Kind in Ghana aufgewachsen und Hanspeter arbeitet jetzt ehrenamtlich im Vorstand einer kleinen NGO, die verschiedene nachhaltige Projekte im Norden Ghanas betreibt.
Man wohnt in hübschen kleinen Bungalows. Manche haben AC, meines hatte einen Ventilator. Auch die Tatsache, dass ich kein eigenes Bad hatte, sondern ein Gemeinschaftsbad (und Toiletten) benutzen musste, störte nicht weiter. Zur "Entschädigung" gab es frische Kokosnüsse, die die Jungs direkt von der Palme holten.
Das Fischerdorf Ampeni liegt direkt neben Ko Sa, so dass man morgens die einlaufenden Fischerboote beobachten kann. Und an einem Morgen kamen die Fischer tatsächlich mit außergewöhnlich erfolgreichem Fang zurück, was das halbe Dorf an den Strand lockte.
Im Ko Sa lernte ich auch die Neuropädiaterin Ursula kennen, die seit vielen Jahren am Holy Family Hospital in Techiman arbeitet. Sie hatte gerade Besuch Ihrer früheren Kommilitonin Agathe (Frauenärztin) und deren Nichte Judith. Abgesehen davon, dass ich so Einiges über die bewundernswerte Arbeit der Missionsschwestern in Ghana erfuhr, lud mich Agathe beim Frühstück spontan ein, die Damen doch beim Ausflug in den Kakum Nationalpark zu begleiten. Gefragt getan, und mit Gottes Segen fuhren wir los.
Im Nationalpark trafen wir auch noch auf Laura, Sophus und Tochter Lea aus Berlin (die ich dann am Abend im Ko Sa wieder traf, so klein ist die Welt). Was soll ich sagen: die knapp zweijährige Lea schien die Hängebrücken zu genießen, wobei einige der Erwachsenen unserer kleinen Gruppe deutlich mehr Respekt vor den schwankenden Brücken hatten. Am Ende waren aber alle glücklich und munter wieder auf festem Boden angekommen.
Auf dem Rückweg machten wir noch Halt bei Hans. Somit konnte ich auch noch einmal meinem neuen Hobby frönen: Krokodile streicheln (siehe auch Burkina Faso).
Der Sklavenhandel wurde natürlich nicht in Ghana erfunden. Sklaven gab es wohl schon immer in der Geschichte der Menschheit, dokumentiert wahrscheinlich zuerst im 18. Jahrhundert v. Chr. in Babylon, dann auch im alten Ägypten. Aus europäischer Sicht brauchen wir nur an das antike Griechenland und an das römische Reich zu denken. In der Bibel finden sich ebenfalls Stellen, in denen Sklaven genannt werden. In Afrika war es durchaus üblich, dass im Krieg besiegte Feinde versklavt wurden, und die Araber waren bereits "erfolgreiche" Sklavenhändler vornehmlich in Nord- und Ostafrika, bevor die Europäer im Rahmen der Kolonisierung des amerikanischen Kontinents den Sklavenhandel als "äußerst lukratives Geschäft" betrieben.
Wikipedia führt dazu aus: "Von 1492 bis 1870 wurden mehr als elf Millionen afrikanischer Sklaven nach Amerika verkauft. Die meisten davon (4,1 Millionen) wurden über den transatlantischen Dreieckshandel in die britischen, französischen, holländischen und dänischen Kolonien in der Karibik deportiert. Etwa vier Millionen Afrikaner wurden von portugiesischen Händlern nach Brasiien deportiert; 2,5 Millionen wurden in spanische Kolonien in Südamerika verkauft. Etwa 500.000 afrikanische Sklaven gelangten in die dreizehn britischen Kolonien auf dem nordamerikanischen Festland."
Unserer damaliger und auch noch unser heutiger Wohlstand in Europa basiert nicht unwesentlich auf der unmenschlichen Behandlung "der Afrikaner" (mir ist bewußt, dass es "die Afrikaner" nicht gibt, sondern eine Vielzahl äußerts unterschiedlicher Menschen, die auf dem afrikanischen Kontinent lebten und leben) und der immer noch andauernden Ausbeutung Afrikas. Sklaverei ist ein Verbrechen an der Menschheit, und es wäscht uns Europäer auch nicht rein, dass sich afrikanische Stämme, Könige, Potentaten an der Versklavung von Afrikanern beteiligten.
In Ghana kann man sich insbesondere in Elmina und im benachbarten Cape Coast über das traurige Los der von europäischen Händlern versklavten Menschen informieren.
Das St. Georg´s Castle in Elmina wurde 1492 von den Portugiesen erbaut und 1637 von den Holländern erobert. Als der Goldhandel schon unter den Portugiesen durch den einträglicheren Sklavenhandel ersetzt wurde, wurde die Anlage wesentlich vergrößert, und bereits vorhandene Lagerräume wurden in Verliese für Sklaven umgewidmet.
Es war ein Zufall, dass ich gemeinsam mit einem Ehepaar aus Jamaika die Besichtigungstour unternahm. Schon bei der Besichtigung der Verliese, in die die Sklaven, getrennt nach Geschlecht, für bis zu drei Monate auf engstem Raum eingesperrt wurden, mussten wir mehrmals tief durchatmen. Als wir schließlich in den Raum ohne Wiederkehr kamen und vor dem Ausgang standen, durch den die Sklaven zu den Booten getrieben wurden, kämpfte der Jamaikaner vergeblich gegen seine Tränen an, und auch ich hatte einen ganz dicken Kloß im Hals.
Laut unseres Guides Kofi starben mindestens 40% der Sklaven hier in den Verliesen oder auf der Überfahrt zum amerikanischen Kontinent (incl. Karibik). Die Überlebenden erwartete ein erbärmliches Leben als rechtlose Sklaven. Wie können wir Menschen anderen Menschen so etwas antun?
Die Sklavenhalter bedienten sich der sexuellen Dienste der Sklavinnen, die zum Beispiel nach Begutachtung durch den auf der Balustrade seiner Residenz stehenden Gouverneur diesem zur Befriedigung seiner Lüste zugeführt wurden. Damit die Sklaven nicht verhungerten, wurde ihnen durch ein Loch in der Decke Essen in die Verließe geworfen. Auch hier galt das Prinzip des "survival of the fittest".
Die Portugiesen hatten mitten im Hof der Anlage eine Kirche, die heute als Museum genutzt wird. Einiges an de Ausstellung dort finde ich durchaus sehr merkwürdig, siehe die Bilder unten. Die Kirche der Holländer wirkt eher protestantisch schlicht. Den über dem Ausgang befindlich Auszug vom Psalm 132 konnten mir meine holländischen Gastgeber vom Ko Sa Beach Resort leider auch nicht aus dem Alt-Holländischen übersetzen. Laut Wikipedia bekräftigt der Schluss des Psalms (Verse 13-18) "die Erwählung des Zionsberges und die Segenswirkung, die von dort ausgehen soll". Na Gott sei Dank.
Von den Räumen des Gouverneurs und vom Äußeren der Anlage aus hat man einen sehr schönen Blick auf das Meer und auf den Ort Elmina. Ich verharre noch eine Weile bei diesem Ausblick, bevor ich sehr bewegt mit dem Taxi zurück in meine Unterkunft fahre (mit kurzem Reifenwechsel ob der Schlaglöcher).
Erst die Portugiesen und dann die Holländer in Elmina, dann dürfen ja die Engländer nicht fehlen. Während in Elmina noch die bestehenden Lagerräume in Verliese umgewandelt wurden, wurde das Cape Coast Castle von vornherein als Stützpunkt für den Sklavenhandel errichtet.
Im Prinziep wurde hier vom Guide die gleiche Geschichte erzählt, die ich bereits in Elmina gehört hatte. Die unmenschliche Behandlung der Sklaven, die ständigen Vergewaltigungen weiblicher Sklavinnen durch den Gouverneuer (und sicherlich auch durch Soldaten), das unermessliche Leid dieser armen Menschen.
Das Tor ohne Wiederkehr ist schon lange zugemauert, der unterirdische Gang vom Verlies der männlichen Sklaven zum Hafen ebenso. Das Tor ohne Wiederkehr, durch das die Besucher heute die Anlage verlassen, ist nicht der Ausgang, durch den die Sklaven seinerzeit hinausgetrieben wurden. Aber auch hier wurde klar, wie verzweifelt die Sklaven gewesen sein müssen, wenn ihnen klar wurde, dass sie ihre Heimat, ihre Familien, niemals wiedersehen würden.
Anders als in Elmina beendete der Guide im Cape Coast Castle seine Führung damit, dass sich Ghana inzwischen bei seinen Einwohnern offiziell dafür entschuldigt hat, dass am Sklavenhandel auch Einheimische beteiligt waren, die mit den Europäern gemeinsame Sache machten. Laut seiner Aussage hat sich außer Ghana bisher kein anderer afrikanischer Staat bei seinen Einwohnern für diese unseelige Kooperation mit den Europäern entschuldigt.
Damit hier kein falsches Bild entsteht: Es steht außer Frage, dass wir Europäer unendlich viel Schuld auf uns geladen haben. Wir müssen uns entschuldigen, um Vergebung bitten. Und wir müssen Afrikanern gleich welcher Nation, gleich welcher ethnischen Grupierung, endlich auf Augenhöhe begegnen. Es ist kein Zufall, dass meine Reise in Ouagadougou mit einer Begegnung des Memorials für Thomas Sankara begann, und dass ich hier in Cape Coast am Eingang des Schlosses wieder auf einen Ausspruchs von Thomas Sankara traf. Der afrikanische Weg muss die Lösung sein, am besten gemeinsam mit Europa und dem Rest der Welt. Auf Augenhöhe!